ERICH HACKL PACKT UNS MIT „AM SEIL“


Mit genauester Präzision, mit Detailbeschreibungen von Räumen, Gegenden, Personen, Arrangements, mit einem unbestechlichen archivierenden Blick, der auf gründlicher Recherche fußt, nimmt uns der österreichische Autor Erich Hackl mit in seinen Roman AM SEIL. Das Buch handelt von einer Überlebensseilschaft im Wien der NS-Diktatur. Der Handwerker Reinhold Duschka nimmt kurzentschlossen und im letzten Moment zwei Jüdinnen auf, die selbstbewusste Chemikerin Regina und ihre Tochter, Luzia. Der passionierte Bergsteiger rettet die blinden Passagiere seiner Werkstatt durch akribische Planung und ruhige Selbstsicherheit, die beiden Verfolgten retten Duschka wiederum durch diszipliniertes Aushalten und Ausharren und sich Fügen. Keine leichte Lese- und Zuhörkost. Denn die Figuren bleiben immer ein wenig schemenhaft-fern, verweigern sich der Identifikation.
Indes: Hackl schafft es in einem sanften oberösterreichischen Ton, genauestens rhythmisiert, in relativ langen Teilpassagen, ein Gefühl für die klaustrophobische Situation, die überall lauernde Gefahr, die Banalität der Zufälle und die abgekämpfte Ernüchterung der endlichen glückhaften Rettung herzustellen. Der eigentümliche Hackl-Sound speist sich aus den erfragten Erinnerungen von Luzia, die ihre Rettungsgeschichte nach wie vor umtreibt, und zweier weiterer Gewährsleute, den imaginierten Dialogen und Empfindungen und Gedanken, die dann teilweise wieder als Spielvarianten für den Leser gekennzeichnet werden. Das erinnert manchmal an Peter Härtling, bleibt aber doch ganz Hackl-Stil. In puristischer Geradlinigkeit hat der 1954 in Steyr Geborene eine beeindruckende Kette solcher literarisch überformter Berichte , die zu Kurzromanen werden, gebildet: Abschied von Sidonie, Auroras Anlass, Familie Salzmann.
Intentionen seines Schreibens, Techniken seines Vorgehens, der Wert der Recherchearbeit – all das wurde mustergültig von Elli Sanchez-Wünsch und Janine Johnson im Gespräch mit Hackl ermittelt. Zuhörer waren v.a. die Vorkurse und die SchülerInnen der K I.